Du bist El-Roi, der Gott, der mich sieht. 1. Mose 16,13
Im letzten Jahr ist mir ein Vers immer wieder über den Weg gelaufen oder mir unbeabsichtigt in den Sinn gekommen: „Du bist El-Roi, der Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16,13). Das sagte Hagar zu Gott, der ihr in der Wüste begegnete, als sie schwanger war und im Streit mit Sara weggelaufen ist. Gott hat sie dort aufgesucht, mit ihr gesprochen, ihr gesagt, was sie als nächstes tun soll und ihr versprochen, sie zu segnen. Er hat ihre Umstände nicht direkt geändert, dennoch hatte Hagar neuen Mut und Motivation zum Aushalten durch diese Begegnung gewonnen.
Das Wort, was hier im Hebräischen für „sehen“ verwendet wird, hat ein sehr breites Bedeutungsspektrum und wird an anderen Stellen auch z.B. mit „anschauen, wahrnehmen, hören, spüren, empfinden, erfahren, erleben, (sich) sehen lassen“ übersetzt. Ich glaube das lässt dar- aufschließen, dass Hagar mit diesem Satz viel mehr ausdrücken wollte, als dass sie sich von Gott physisch gesehen gefühlt hat. Ich glaube auch nicht, dass es ein unangenehmes „ich wurde gesehen alias beim Weglaufen ertappt“ war. Es war ein „Sehen“, was ihr neue Kraft und neuen Mut gab, ihren leeren Tank wieder auf- gefüllt hat. Ich denke, diese Begegnung mit dem lebendigen Gott hat ihr das Gefühl gegeben nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern in ihren Gefühlen verstanden zu werden. Auch wenn sie sich vielleicht gewünscht hat, Gott hätte eine andere Lösung parat, als dass sie zu ihrer Herrin zurückgehen muss.
Gott sieht mich. Das kann vielleicht bedrohlich klingen nach dem Motto „Gott beobachtet mich und wehe, ich mache etwas falsch“. Ich glaube schon, dass wir eines Tages Rechenschaft ablegen müssen, dafür, wie wir unser Leben gestaltet haben. Allerdings wird, wer an Jesus glaubt, nicht als Angeklagter vor seinem Thron stehen, sondern als „Braut“. Deshalb klingt „Gott sieht mich“ eigentlich vielmehr nach einem Blick der Liebe und Fürsorge. Nach einer Zusicherung: „Ich bin da, und deine Lage bleibt nicht unbemerkt“.
Gott sieht mich und dich, weil er jeden von uns geschaffen hat und Pläne mit uns hat. Sein Blick lädt zu einem Dialog ein. Gott schaut uns an und wartet darauf, dass wir zurückschauen und den Blick erwidern. Damit erreichen wir unsere ultimative Bestimmung, die Gott sich für uns ausgedacht hat, und das ist Gemeinschaft mit ihm. Gott wünscht sich ein gegenseitiges Sehen und gesehen werden.
Mir sind dabei ein paar Fragen in den Sinn gekommen, die ich an euch weitergeben möchte:
Gott sieht uns, aber sehen wir ihn auch? Fühlen wir uns vielleicht von Gott gesehen, wenn er Umstände ändert, aber was ist, wenn er uns darin lässt? Schöpfen wir dann Kraft aus seinem Blick, oder können wir ihm nicht mehr in die Augen schauen? Was möchte Gott mir in diesem Augenblick sagen?
Ich wünsche uns, dass wir in den nächsten Wochen dem Herrn neu begegnen, dass wir die Liebe in seinen Augen sehen und in der Verbundenheit mit ihm gestärkt werden.
Jennovi