„Du bist ein Gott, der mich sieht…“
Ein ganzes Jahr lang ist uns dieser Vers immer wieder begegnet. Wir haben Predigten darüber gehört. Wir haben das Lied zur Jahreslosung im Gottesdienst gehört, gesungen und auch beim Jubiläumskonzert wunderbar vorgetragen bekommen. Mich bewegt die Frage, ob diese wunderbare Verheißung, die uns auf so vielfältige Weise zugesprochen oder gesungen wurde, etwas in uns verändert hat.
Hagar wurde bewegt von dieser wunderbaren Verheißung Gottes. Diese Verheißung war mit der Aufforderung verbunden, zu Abraham und Sara zurückzukehren. Der Gott, der sie sah, schickte sie zurück an den Ort, an dem sie ungerecht behandelt worden war. Gott traut ihr zu, dass sie diese Herausforderung nun meistern kann, denn seine Worte haben Hagar nicht nur Mut gemacht, sondern auch ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit verändert. Sie ist nicht mehr nur die Magd Saras, die Nebenfrau oder die Mutter Ismaels, sondern sie ist diejenige, die von Gott gesehen wird.
Die Frage, die ich mir angesichts dieser starken Jahreslosung, aber auch angesichts der bevorstehenden Weihnachtszeit und der neuen Jahreslosung stelle, lautet: „Was bewirkt Gottes Wort in uns?“ Deshalb möchte ich dieses Editorial dazu nutzen, uns herauszufordern, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und im Gebet mit Gott darüber nachzudenken, was seine Worte in meinem Leben, im Leben meiner Familie bewirkt haben. Gott verspricht uns, dass seine Worte nicht leer zurückkommen. Die Frage soll uns nicht unter Druck setzen, sondern uns vielleicht nur wieder daran erinnern, was wir im Alltagsstress vergessen haben, oder was durch eine Krise überlagert wurde. Vielleicht ist es die Jahreslosung, die uns angesichts aller Herausforderungen zusagt, dass Gott uns sieht. Vielleicht ist es aber auch in deinem Leben die Einladung Gottes in eine vertraute Beziehung oder eine ganz andere Botschaft, die Gott im vergangenen Jahr in dein Leben hineingesprochen hat. Gottes Wort ist immer eine Einladung zu einer Beziehung. Diese Beziehung wächst nicht im luftleeren Raum, sondern oft in den Herausforderungen des Alltags. Auf diese Herausforderungen oder Wüstenzeiten will uns Gottes Wort vorbereiten, so wie Gott es bei Hagar getan hat. Denn die Verheißung, dass er sie sehen wird, hat Hagar nicht davor bewahrt, wieder in eine Wüstenzeit zu geraten. Fünf Kapitel später steht Hagar wieder in der Wüste. Diesmal ist sie noch verzweifelter, am Ende ihrer Kräfte und lässt ihr Kind zurück, weil sie nicht mit ansehen kann, wie Ismael stirbt. Gottes Wort und Verheißung bewahren sie nicht vor der Wüstenzeit, aber Gott begleitet sie auch in dieser Wüste. Wieder spricht er, mitten hinein in ihre Verzweiflung und Not. Und wieder geben seine Worte Hoffnung und Halt, wo vorher nur Verzweiflung und Schmerz waren.
„Als Gott das Weinen des Jungen hörte, rief ein Engel Gottes vom Himmel Hagar zu: „Hagar, was ist mit dir? Fürchte dich nicht! Gott hat das Weinen des Knaben gehört, der da liegt.“ (Genesis 21,8)
Diesmal versichert ihr Gott durch den Engel, dass er sie und ihr Kind hört. In dieser Wüstenzeit erkennt Hagar Gott auf neue Weise: Er ist nicht nur der Gott, der sie sieht, sondern auch der Gott, der sie und den Schmerz ihres Sohnes hört. Sie und das Schicksal dieses Jungen sind ihm nicht gleichgültig, darum wird er für sie sorgen.
Wenn eine neue Wüstenzeit deinen Blick und dein Gehör für Gottes Worte und frühere Verheißungen verstellt, oder wenn sie von den Herausforderungen und der Hektik des Alltags überdeckt werden, dann möchte ich dich ermutigen, dranzubleiben.
Gott kommt nicht zu spät. Er und seine Verheißungen sind auch in Wüstenzeiten da. Und diese Zeiten können dazu dienen, Gottes Wesen wieder neu zu entdecken; es nicht nur vom Hörensagen zu kennen, sondern persönlich zu erfahren.
Möge dir diese Jahreslosung, die Botschaft der Advents- und Weihnachtszeit oder vielleicht auch ein anderes Bibelwort, das Gott in dein Leben gesprochen hat, Mut machen, dich neu auf ihn einzulassen, ihm nachzufolgen oder in einer schmerzlichen Wüstenzeit mit letzter Kraft an ihm festzuhalten. Vergiss in allen Herausforderungen nicht: „Er ist ein Gott, der mich sieht“!
Johann Schick