Manch eine Geschichte aus der Bibel ist schon unangenehm, denn sie hält mir den Spiegel vor, wie es wirklich in mir aussieht und welche Einstellungen ich habe. Wo ich mitunter ein Pharisäer bin und wenig von Jesus in mir durchscheint.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte von Zachäus, dem Oberzöllner, welche mit dem obigen Vers schließt. Da begegnet Jesus einem Menschen auf Augenhöhe, um ihn zum Glauben an sich einzuladen. Und was machen die Pharisäer? Sie schimpfen darüber und beschweren sich, werfen Jesus mangelnde Etikette vor und dass er sich nicht an das Gesetz hält.
Wenn man das nur von dieser Perspektive aus betrachtet, dann identifiziere ich mich eher weniger mit den Pharisäern. Aber wenn wir genauer in die Geschichte reinschauen, dann sieht das anders aus.
Denn was Jesus hier tut, ist außergewöhnlich. In einer Zeit, in der Abgrenzung normal war – ganz besonders im religiösen Bereich – sprengt Jesus die gesellschaftlichen Grenzen. Er isst gemeinsam mit einem Nichtjuden, was für gesetzestreue Juden undenkbar gewesen ist. Und dann noch bei einem Zöllner, welcher bekannt dafür war, ein Betrüger zu sein. Aber statt mit der gewohnten Abgrenzung begegnet er Zachäus mit bedingungsloser Annahme und Liebe. Allein das hat den Zachäus womöglich schon einmal schwer ins Nachdenken gebracht. Wie die Begegnung zwischen Jesus und Zachäus dann abgelaufen ist, erläutert die Bibel nicht näher. Sie haben Zeit miteinander verbracht und gemeinsam gegessen. Und dabei vermutlich viel miteinander geredet. Die Auswirkungen, welche dieses Treffen bei Zachäus hatte, sind gewaltig: Eine Umkehr und Hinwendung zu Gott in Wort und Tat wird sehr deutlich. Jesus hat es geschafft, Zachäus mit der werbenden Liebe Gottes zu begegnen.
Liebe, die nicht gesetzlich daherkommt und dadurch abschreckt und verurteilend wirkt. Liebe, die nicht weichgespült ist und infolgedessen die Konsequenz eines befreiten Lebens aus Gott auslässt. Sondern Liebe, die neugierig macht und tief im Inneren verändert. Es ist naheliegend, dass Jesus dem Zachäus keine großen Vorträge darüber gehalten hat, was er alles falsch macht. Genauso wenig bringt Jesus dadurch, dass er mit Zachäus gemeinsam isst, zum Ausdruck, dass er mit seinem Leben übereinstimmt.
Wenn ich das so lese, bin ich fast ein bisschen „neidisch“ auf Jesus, denn die Selbstsicherheit und Liebe, die Jesus ausstrahlt, obwohl er da gerade mit einem stadtbekannten Betrüger gemeinsam isst, habe ich nicht. Wenn ich mit Menschen, die meine Lebensprinzipien nicht teilen, Zeit verbringe, erlebe ich es nicht selten, dass ich mich unwohl fühle und unsicher und distanziert werde, womöglich gepaart mit ein wenig Angst, jemanden mit in die Gemeinde zu bringen, der nicht in unser bürgerliches und christliches Leben mit all seinen geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen hineinpasst. Da bin ich dann manchmal erschrocken über mich, wie ich mich folglich abgrenze und mich in mein christliches Umfeld zurückziehe und mir womöglich auch noch einrede, dass das christlich sei. Wenn ich die Geschichte von dieser Seite aus betrachte, bin ich dann wirklich so viel besser als die Pharisäer?
Wie kann ich mich hierbei von Gott verändern lassen? Ein möglicher konkreter Schritt: Indem ich es wie Jesus mache und mich zum Beispiel an einen Essenstisch mit Menschen setze, die Jesus noch nicht kennen. Und indem ich mich dabei nicht verstelle und versuche, ein gelungenes, christliches Leben zu präsentieren. Womöglich noch untermalt mit einer blitzblanken Wohnung und einem aufwendig vorbereiteten Essen, um mein Gegenüber zu beeindrucken.
Nein, ich brauche mein Gegenüber nicht zu beeindrucken! Das, was mein Gegenüber vielleicht genau so selten erlebt hat wie ein Zachäus, ist der Fokus auf ihn als Menschen. Ein Interesse an ihm oder ihr als Person. Ohne Hintergedanken, wann endlich Fragen zum Glauben gestellt werden. Bedingungslose Liebe eben, die von Gott durch uns als menschlicher Kanal fließt. Das ist es, was letztlich bei Zachäus ein wesentlicher Schlüssel war für seine Umkehr. Durch Jesus begegnet ihm die personifizierte Liebe Gottes. Und das kann heute durch jede Person, die an Jesus Christus glaubt und die den Geist Gottes in sich trägt, ebenfalls passieren – also durch dich und durch mich!
Ich muss zugeben: Ich finde diesen Gedanken echt herausfordernd. Die Umsetzung davon fällt mir alles andere als leicht. Aber ich möchte versuchen, mich vom Beispiel Jesu inspirieren und verändern zu lassen. Gerade jetzt in der Sommerzeit, wo man sich schnell mal unkompliziert auf ein gemeinsames Getränk auf der Terrasse oder zum gemeinsamen Grillen treffen kann. Wie sieht es bei dir aus?
In diesem Sinne wünsche ich euch einen gesegneten Sommer, in welchem Gott euch immer wieder den Blick für den Mitmenschen schenken möge!
Matthias Lederich